Der 241er fährt vom schmuddeligen Halleschen Tor bis zum auch nicht so ansprechenden S-Bahnhof Baumschulenweg. Der interessanteste Abschnitt ist jedoch zweifelsohne der die Sonnenallee entlangführende. Wer die Ureinwohner Neuköllns in ihrer gesamten Pracht bewundern möchte, ist hier genau richtig; Uneingeweihte könnten jedoch leicht den Eindruck erhalten, mitten in einen Transport geisteskranker Schwerkrimineller in eine geschlossene Anstalt geraten zu sein. Doch der Reihe nach.


Bereits beim Zusteigen kann man Kontakt mit altklugen Fünfjährigen bekommen, die, nachdem längst alle Aussteigewilligen das Fahrzeug verlassen haben und bereits über die Hälfe der Wartenden an Bord gegangen sind, aus der hinterletzten Ecke geflitzt kommen und einem ein mahnendes „Erst aussteigen lassen!“ mit auf den Weg geben. Hat man es daraufhin geschafft, seine Aggressionen zu unterdrücken und in den Bus zu steigen, so ist die Chance groß, dass sich erst einmal eine Weile lang gar nichts tut. Während sich der Unkundige noch wundert, wartet der Kenner bereits darauf, den Lieblingssatz aller Berliner Busfahrer zu vernehmen: „Herrschaften, wenn se nich aus der Tür jehn, dann bleibn wa hier ewich stehn. Mir isset ejal, ick hab Zeit. Inner Stunde is meine Schicht zuende, und ick jeh nach Hause. Sie nich. Also entscheiden se sich!“ Und so weiter.

Hat sich das Gefährt auf Grund einer glücklichen Fügung schließlich doch noch in Bewegung gesetzt, so hat der geneigte Fahrgast Zeit, die sich ihm bietenden Eindrücke mit allen Sinnen zu erfassen. Inklusive, und besonders mit, dem Geruchssinn. So eröffnet sich einem die Gelegenheit, bei den unvermeidlichen Sitzplatzstreitigkeiten oder der einen oder anderen Rempelei einen Einblick in die lokale Diskussionskultur zu erhalten. Eröffnungen wie „Pass doch ma uff!“ werden schon bald gefolgt von Beiträgen wie „Wat willst DU denn?“, „Halts Maul!“, „Halt Du dochs Maul!“, „Soll icks Dir stopfen?“ und dergleichen mehr. Hierbei ist zu beobachten, dass auch und gerade das weibliche Geschlecht sich nicht zu schade ist, an einem solchen Meinungsaustausch teilzunehmen. Ist der Streit schließlich, durch Aussteigen einer der Parteien oder einen kräftigen Kinnhaken, gelöst, so wird einem weitere Unterhaltung unter anderem durch die häufig mitreisenden Tierkenner geboten, welche unter anderem Hunde, die sich durch den Trubel um sie herum nicht stören lassen wollen und schlapp in einer Ecke liegen, fachkundig als „Opfer!“ identifizieren.

Keine Fahrt im 241er ist jedoch komplett ohne eine Begegnung mit jenen mehr oder minder alkoholisierten Zeitgenossen, die schwankend den Bus betreten, alte Frauen stets mit „junge Frau“ betiteln und, sollte eine solche den Bus betreten und nicht sofort alle Fahrgäste unter 100 Jahren aufspringen, um ihr einen Sitzplatz anzubieten, lauthals darüber sinnieren, wofür ihr Vater denn damals bei Stalingrad gekämpft habe, und dass Deutschland wohl mal wieder einen starken Mann brauche, angesichts der herrschenden Zustände.

Sollte einem der Sinn jedoch eher nach etwas Ruhe und Gelassenheit, und nicht zuletzt frischer Luft, stehen, und man demnach beschließen, den Bus zu verlassen, so steht einem noch die Herausforderung bevor, dies auch in die Tat umzusetzen. Gelingt es einem, sich unter aufmunterndem Rufen der Mitreisenden, die von „Kannste nich früher aufstehn?!“ bis hin zu „Ey Du Arsch!“ reichen, bis zu einer der Türen durchzuschlagen, steht einem als letzte Hürde nur noch die Willkür des Busfahrers gegenüber. Dieser lässt es sich nämlich des öfteren nicht nehmen, eine sich trotz wiederholten Knopfdrückens partout nicht öffnende Tür mit einem launigen „Na, nu drücken Se doch, wenn Se rauswolln!“ zu kommentieren. Sollte es einem gelingen, auch dieses letzte Hindernis zu überwinden, steht es einem selbstredend frei, sich vorzunehmen, niemals wieder diese Linie zu benutzen. Man kann natürlich auch auf die andere Straßenseite wechseln und austesten, ob's in der anderen Richtung ähnlich zugeht.

Fazit: Eine ernsthafte Alternative zu Survival-Urlaub im guatemaltekischen Dschungel oder Kriegsberichterstattung aus Krisengebieten.