Endlich war es soweit, das Wochenende begann. Das bedeutete, ich musste mich nicht mit irgendwelchen Menschen herumquälen. Zumindest fast nicht. Denn ich wollte immer noch herausfinden, was es mit den Ruinen und diesem Jungen auf sich hatte. Beides hatte ich zuvor noch nie gesehen. Vielleicht hatte es etwas mit dem Wald zu tun. Mein Weg war demnach klar und das Wochenende, zum ersten Mal seit Jahren, wieder verplant.


Ich nahm den gleichen Zug wie am vorherigen Tag, mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal alleine war. Zu meinem Glück waren an diesem Morgen nur wenig Leute unterwegs, das ließ mich etwas entspannen. Die Fahrt kam mir länger vor als das letzte Mal, dies lag wahrscheinlich daran, dass ich es eilig hatte, herauszubekommen, was dort vor sich ging.

Dem gleichen Weg folgend durchquerte ich, am Bahnhof angekommen, den Wald bis zu der Stelle, an der mich Eva aus meiner Traumwelt gerissen hatte. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Als ich sie wieder öffnete, sah ich sie vor mir: Die Ruinen. Plötzlich zuckte ich zusammen. Ich spürte, wie sich hinter mir etwas bewegte. Ich zog es vor, mich erst einmal zu verstecken. Bei so vielen merkwürdigen Ereignissen in dieser Welt, wie sie am letzten Tag geschehen waren, konnte man nie vorsichtig genug sein. Ich versteckte mich also im Schatten der am dichtest bewachsenen Mauer die ich finden konnte. Da erschienen sie auch schon. Zwei Männer, der Größe nach zu urteilen waren es Elfen, in schweren eisernen Rüstungen. Sie schienen sich zu unterhalten. Einer von ihnen, der Größere von beiden, wirkte verärgert, der andere nervös. „Der Kerl kann nicht verschwunden sein“, sagte der verärgert wirkende in einer rauen Stimme. „Aber, wenn er in die Ruinen geflohen ist …“, entgegnete der Kleinere. Seine Stimme war eher piepsig, das passte nun so gar nicht zu seiner Erscheinung in der schweren Rüstung. „Derion!“, sagte der Größere nun unüberhörbar gereizt. „Hört endlich damit auf! Das sind doch alles nur Legenden, ohne ein Körnchen Wahrheit!“ Derion, wie der Kleine zu heißen schien, wurde nun noch nervöser.

„A… aber Lucas! Ihr solltet wissen, das jeder Abenteurer, welcher in den letzten 100 Dekaden versucht hat, diesen Tempel zu betreten, nicht mehr lebend hinaus kam!“ Lucas hob die Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ihr meint also, wir sollten es dabei belassen, dass er dort hinein geflohen ist und wahrscheinlich sterben wird?“, fragte Lucas sarkastisch. Derion nickte. „Und wenn er es doch da heraus schafft? Was ist dann?“ Derion zuckte mit den Schultern, immer noch nervös. „Wir werden ihm folgen, diesen Auftrag hat uns die ehrwürdige Madera schließlich geben“, sagte Lucas und machte sich in Richtung eines großen Erdloches auf. Wahrscheinlich gingen diese Ruinen unterirdisch weiter. „Wenn ihr solche Angst habt, dann bleibt ihr besser hier draußen.“ Mit diesem Satz verschwand er in dem Loch. Derion blieb allein zurück und schluckte. Er wirkte noch viel nervöser, nachdem Lucas nicht mehr da war. Nach zwei raschen Blicken, einmal nach rechts und einmal nach links, schien er sich entschlossen zu haben, Lucas doch zu folgen. Ich selber war nun völlig verwirrt. Ein Elf, das hätte ich mir noch gefallen lassen. Aber, jetzt noch diese beiden in Rüstung, Derion und Lucas. Was ging hier nur vor? Scheinbar gab es da auch noch eine Dritte im Bunde, Madera. Sie verfolgten jemanden, und ich war mir sicher, dass es der Junge von gestern war. Jemand anderen hatte ich in dieser Gegend nämlich nicht gesehen. Ich machte mir Sorgen, diese beiden trugen schließlich nicht nur diese Rüstungen; in einem Gehänge um die Hüften konnte ich Schwerter erkennen. Auch wenn mir das Schicksal anderer gewöhnlich egal war, so war es in diesem Fall anders. Kleinere Angelegenheiten kümmerten mich nie sonderlich, hier jedoch würde jemand sein Leben lassen, und das war selbst für mich zu viel. Ich musste ihm helfen. Es war mir klar, dass ich nicht den selben Eingang wie die Elfen nehmen konnte. So würde ich ihnen unweigerlich in die Arme laufen. Ich musste einen anderen finden. Von der Stelle, an der ich mich befand, erstreckten sich die Ruinen weiter in östliche, westliche und nördliche Richtung. Hinter mir im Süden lag lediglich die Lichtung, die ich so oft besucht hatte. Ich entschied mich dafür, es im Osten zu versuchen, auf der Wand, in deren Schatten ich mich versteckt hatte, hatte ich zwei weitere Runen gefunden, die ich kannte. Zum einen Sol, was so viel wie Sonne bedeutete und zum anderen Pertra, die Geburt. Der Tempel war demnach wahrscheinlich der Geburt der Sonne gewidmet, dem Sonnenaufgang. Irgendwo im Osten musste sich also der Haupteingang des Tempels befinden, dessen war ich mir sicher. Ich durchquerte also die Ruinen in Richtung Osten, und schon bald konnte ich in der Ferne etwas erkennen, das aussah wie zwei gewaltige Statuen. Um sie zu erreichen, brauchte ich fast eine halbe Stunde, und das, obwohl ich gerannt war. Dieser Tempel hatte unglaubliche Ausmaße. Ich fragte mich, wie weit er wohl in den anderen beiden Richtungen reichte und wie groß wohl die unterirdischen Bereiche waren, die ich zu erreichen versuchte.

Nun stand ich vor den beiden Statuen, die ich von fern her gesehen hatte. Mit offenen Mund bestaunte ich sie. Denn sie hatten noch gewaltigere Ausmaße als ich angenommen hatte. Beide waren wohl nach meiner Schätzung mindestens einhundert Meter hoch, und zwischen ihnen ein gigantisches marmornes Tor. Wer war wohl in der Lage gewesen, so etwas zu erschaffen?

Ich hatte keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, ich musste mir vielmehr Gedanken darüber machen, wie ich hineinkommen konnte. Denn, anders als der Rest dieser Ruinen, war dieses Tor noch völlig intakt, und fest verschlossen. Wie sollte also ein vierzehnjähriges Mädchen von einem Meter und vierzig ein über hundert Meter hohes Tor aus massiven Marmor ganz alleine öffnen können? Es musste noch einen anderen Eingang geben, oder aber diese Ruinen wurden von Riesen erbaut. Nach den Elfen würde mich nichts mehr wundern. Allerdings wollte ich auch keinem leibhaftigen Riesen begegnen, das würde nämlich nur für einen gut ausgehen, und zwar den Riesen. Wieder hörte ich plötzlich Stimmen, diesmal wusste ich sofort, wo ich mich verstecken konnte: im Schatten einer der beiden Statuen, ich wählte die linke und wartete. Ich schluckte schwer. Warum um Gotteswillen müssen mich alle immer gleich so wörtlich nehmen?! Dort kamen, tatsächlich, zwei Riesen angelaufen. Als sie näher kamen spürte ich, wie die Erde bei jedem ihrer Schritte leicht zu vibrieren schien, oder aber das war nur ich, die ich wie Espenlaub zu zittern begann, so genau konnte ich das gerade nicht sagen.

„Gard?“, begann der eine von ihnen, ein stämmiger Kerl mit schwarzen, kurzen, zerzausten Haaren und einer knubbeligen Nase. „Ja?“, antwortete ihm der, der Gard zu heißen schien. Er war etwas größer als der Stämmige, allerdings war er eher schlaksig. „Ist der Schatz wirklich dort drinnen?“, fragte der Stämmige. „Ja, Hannah hat es doch gesagt. Außerdem haben wir ’ne Karte! Schau!“ Gard holte ein riesiges Papierrolle aus seiner Tasche. „Sieh mal, Sareb“, sagte er und hielt Sareb die Karte hin. „Hier ist die Schatzkammer, und selbst die Fallen sind dort eingezeichnet.“ Fallen erklärten mir zumindest, warum dort niemand lebend wieder herauskam. Aber wie sollte ich den Fallen entgehen? Ich brauchte diese Karte, und dabei waren die Riesen, nicht mein einziges Problem, sondern auch noch das, dass diese Karte ungefähr zwanzigmal so groß war wie ich. Aus irgendeinem Grund wurde mir auf einmal heiß. War es Anspannung? Adrenalin? Oder einfach nur die Angst? Diese drei Gründe wären mir alle viel lieber gewesen als das, was es wirklich war. Es war einer von ihnen, von meinen geliebten Himmelskönigen. Den weißen Drachen. Wie oft habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, auf diesen majestätischen Wesen am Himmel dahin zu gleiten, aber ich wollte ganz sicher nicht, dass einer von ihnen hinter mir auftauchte und Feuer spie. Ich hatte keine andere Wahl, ich musste dort weg. Das Dümmste tun, was ich im Stande war zu tun.
Demzufolge hastete ich aus meinem Versteck im Schatten der Statue hervor, dorthin, wo die beiden Riesen den bestmöglichen Blick auf mich hatten. Als Gard mich erblickte, zuckte er zusammen. Mal ehrlich, wenn jemand hätte zusammenzucken sollen, dann wäre das wohl am ehesten ich gewesen, wie ich dort vor ihnen stand, ein vierzehnjähriges Mädchen von einem Meter und zweiundfünfzig.

„Was ist das, Gard?“, fragte Sareb, der mich nun auch bemerkt hatte. Das gefiel mir schon mal gar nicht, riesige todbringende Kreaturen, und zu allem Überfluss besaßen sie auch noch die Frechheit, mich „Das da“ zu nennen. „Keine Ahnung“, antwortete Gard schulterzuckend. „Is zu klein um was zu erkennen, sollte es mir mal aus der Nähe ansehen.“ Mit diesen Worten beugte er sich runter und hob mich, die ich auf einmal starr vor Schrecken war, hoch. Unwillkürlich entfuhr mir ein Schreckensschrei, es war wie eine Reflexhandlung meiner Stimme, auf die mein Körper schon die ganze Zeit gewartet hatte. „Keine Grund um Angst zu haben. Ich will nur wissen was du bist“, sagte er. Von wegen! Es weiß doch wohl jedes Kind, dass Riesen Menschen fressen!

Moment mal.

Das ist doch eigentlich nur das, was in den Büchern steht, die Menschen geschrieben hatten, und ich gehöre doch bei weitem nicht zu denen, die einem Menschen vertrauten. Warum hatte ich das also die ganze Zeit über geglaubt?

Ich entschloss mich dazu, es einfach auf mich zukommen zu lassen. Immerhin konnte ich doch jeder Zeit wieder aufwachen, wenn ich das wollte. Also beruhigte ich mich erst einmal. Danach blickte ich Gard direkt in die Augen mit einer Mischung aus Neugier, ich wollte unbedingt mehr über diese Wesen erfahren, und Mut, oder war es doch eher Torheit? Sicher war ich mir da selber nicht so ganz. „Na also“, sagte Gard erleichtert. Er hatte die ganze Zeit über geduldig gewartet, bis ich mich wieder gefangen hatte. Diese Riesen schienen mir sympathischer als so mancher Mensch zu sein. „Das scheint ein Mensch zu sein, Gard!“, sagte Sareb nun, als hätte er einen Schatz gefunden. Er war mittlerweile so dicht an mich heran gekommen, dass ich, wenn ich meine Arme ausgestreckt hätte, sein Gesicht hätte berühren können. „Du hast Recht“, sagte Gard, der mich nun genauer unter die Lupe nahm. „Ein Mensch! Sowas hab ich lang nicht mehr gesehen“, fügte er hinzu. Wow! Eine Beförderung! Jetzt war ich also nicht länger „Das da“, sondern „Sowas“. „Ich habe auch einen Namen!“, rief ich trotzig. „Tschuldige.“, sagte Gard prompt. Was mich stutzen ließ. Einer wie er brauchte sich doch nicht bei jemandem wie mir zu entschuldigen, das hätte er doch gar nicht nötig gehabt. „Und?“, fragte er. „Wie heißt du nun?“ Eein zweites Mal überraschten mich die Riesen mit ihrer Freundlichkeit. So konnte man sich täuschen. Sofort beschloss ich, alles, was ich bisher über Riesen gelernt hatte ,über den Haufen zu werfen. Nun, zumindest fast alles, denn übermenschlich groß waren sie wirklich. „Sabrina“, sagte ich nun, um seine Frage zu beantworten. „Hübscher Name“, sagte Gard, während Sareb zustimmend nickte. „Aber was treibt einen Menschen wie dich hierher?“, fragte Gard mich strinrunzelnd.

„Ich mag diesen Ort“, antwortete ich schlicht. Das stimmte schließlich auch. Die beiden Riesen blickten sich an, ganz so, als ob sie glaubten, ich könnte sie nicht richtig verstanden haben. Das ignorierte ich, denn ich hatte wichtigere, zumindest für mich wichtigere, Fragen, die mir auf der Zunge brannten. „Gehört der zu euch?“, das war meine erste Frage, die ich ihnen stellte, während ich auf den Drachen zeigte, der mich vorhin aus meinen Versteck getrieben hatte. Er machte es sich gerade auf Sarebs Schulter bequem. Jetzt, wo ich ihn genauer betrachtete, empfand ich seine Gestalt als atemberaubend schön. Seine silberweißen Schuppen, die über seinen gesamten Körper verteilt waren, glitzerten im Licht der Sonne, und seine zarten, weißen und fledermausartigen Flügel wirkten so zerbrechlich, obwohl ich wusste, wie kraftvoll sie sein mussten, um diesen gigantischen Körper am Himmel gleiten lassen zu können. Sareb tätschelte nun liebevoll den Kopf des Drachens. „Ja“, sagte er zur Beantwortung meiner Frage und fügte „Sie heißt Azur“ hinzu. Der Drache war also eine Sie. „Warum hat sie mich angegriffen?“, wollte ich wissen. „Entschuldige“, sagte sie auf einmal. Das erschreckte mich so sehr, dass, wenn ich gestanden hätte, ich ganz sicher vor Schreck gestürzt wäre, und das wäre aus so eine Höhe alles andere als empfehlenswert gewesen. „Sie kann sprechen?“, fragte ich verdutzt. Wieder blickten sich die beiden Riesen mit diesem seltsamen Blick an, dann wandte sich Sareb an mich. „Sag jetzt nicht, dasa du verstehen kannst, was sie sagt?“ Ich nickte nur. „Ein Mensch und ein Flüsterer!“, sagte Gard nun ehrfürchtig. „So etwas hat es seit einhunderttausend Jahren nicht mehr gegeben!“, rief Sareb euphorisch. „Entschuldigt, wenn ich euch unterbreche“, sagte ich, die ich immer noch in Gards Hand festsaß. Ich wollte jetzt unbedingt wissen, was hier los war. „Aber könnt ihr mir freundlicherweise erklären, was …“. Auf einmal wurde mir bewusst, dass ich die ganze Zeit etwas viel dringenderes vergessen hatte. Nämlich den Elfen, der meine Hilfe brauchte. Ich schluckte also meine vorherige Frage herunter, um eine andere zu stellen. „Könnte ich mir mal diese Karte ansehen?“, fragte ich die Riesen.

„Warum?“, fragte Sareb nun misstrauisch. Ich wusste, worauf er hinaus wollte, hatte ich ihnen zuvor schließlich noch gelauscht. „Die Schätze interessieren mich nicht, ehrlich! Aber vorhin haben ein paar Männer einen Jungen dort hinein verfolgt, ich möchte ihn retten!“, sagte ich hastig, denn ich hatte das Gefühl, dass jetzt jede Sekunde zählte. Ich hatte mit der Unterhaltung zuvor schon genug Zeit vergeudet. „Dein Freund?“, fragte Gard. „Nein, ich kenne ihn nicht einmal. Aber,ich finde es falsch, zu töten!“, antwortete ich ihm. Gard nickte mir zustimmend zu. Das war wieder einmal ein weiteres Klischee, welches diese beiden Riesen nicht erfüllten.

Gard setzte mich nun endlich ab, das war gut, denn ich empfand die Luft in dieser Höhe als etwas zu dünn und ich war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Nun breitete er die Karte noch vor mir aus. Sie war wirklich riesig. Zu riesig, um sie mitzunehmen oder von meinem Standpunkt aus die gesamte Karte überblicken zu können. Doch mir kam eine Idee. „Könnte ich mir eine kleine unbeschriebene Ecke davon abreißen?“, fragte ich die beiden. „Nur um sie mir darauf abzuzeichnen“, fügte ich hinzu. Zu meiner Erleichterung stimmten sie mir zu, und ich riss mir ein Stück ab, das sich ungefähr im DIN A3-Format befand. Selbst das Problem, dass ich nicht alles genau überblicken konnte, ließ sich lösen. Zu meinem Bedauern allerdings, denn dafür musste ich Gard dazu bitten, mich wieder hochzuheben und mich auf seine Schulter zu setzen. Von dort aus hatte ich einen guten Blick auf die Karte und zückte meinen Kugelschreiber. Ich hatte immer einen dabei, eine Angewohnheit, die ich von meiner Mutter abgekupfert hatte. Eigentlich war ich immer bemüht, diese abzulegen, wollte ich doch meinen Eltern so wenig es denn ginge ähnlich sein, doch im Angesicht meiner jetzigen Lage war es das beste, was mir passieren konnte. Zum Glück waren meine zeichnerischen Qualitäten mehr als nur gut, so dass ich innerhalb von fünf Minuten eine perfekte Kopie der Karte fertigstellen konnte. Da ich das bombastische Tor nicht von alleine öffnen konnte, tat es Sareb für mich. Sie wünschten mir noch viel Glück, als ich in die Ruine eintrat. Sie selber wollten erst nach dem Schatz suchen gehen, wenn sich in der Ruine niemand mehr befand, sie seien nämlich Pazifisten. Ich schmunzelte über diese Bemerkung meiner neuen oder viel mehr ersten Freunde.

Das Innere der Ruine erinnerte mich an die Sagen von Atlantis, der versunkenen Stadt im Meer. So hätten ihre Bauten meiner Meinung nach gewiss ausgesehen. Überall an den Wänden waren riesige Runen eingraviert, und ihre Größe konnte ich mir nur dadurch erklären, dass es die Ruinen eines Riesenvolkes waren. Weshalb gewiss auch Gard und Sareb hier waren. Ich jedenfalls hatte leider nicht die Zeit, weiter auf diese wohl höchst faszinierende Architektur einzugehen und konzentrierte mich nun mehr auf die Karte, die ich nun, da ich sie zuvor eingerollt hatte, um sie besser transportieren zu können, entrollte. Ich lief durch einen langen schmalen Gang, während ich die Karte eindringlich musterte. Am Rand des Ganges waren einige Statuen, die auch auf der Karte zu sehen waren. An einer der Statuten sollte es eine Art Schalter für einen Geheimgang geben, der mich schnell in die Nähe des Westeinganges führen könnte, dieser Eingang war der einzige Anhaltspunkt den ich hatte, auch wenn ich weder Derion noch Lucas begegnen wollte. Ich musste vorsichtig sein, denn laut meiner Karte war direkt vor der erwähnten Statue eine Falle montiert. Ich blickte mich überall um. konnte aber nichts Merkwürdiges erkennen. Dennoch beschloss ich, mich mit Bedacht vorwärts zu bewegen, um jederzeit ausweichen zu können, was auch immer da kommen mochte. Doch mit dem, was kam, hatte ich nicht gerechnet. Niemals hätte ich mit so einer simplen Falle gerechnet. Der Boden tat sich auf, direkt neben der Statue. Zum Glück war ich so geistesgegenwärtig gewesen, mich rasch mit meiner linken Hand am Sockel der Statue festzukrallen. Da hing ich nun über dem Abgrund, dessen Boden zu allem Übel auch noch mit Speeren gespickt war. Lange Zeit zum Nachdenken hatte ich nicht, denn meine linke Hand würde bald ermüden, und das wäre alles andere als großartig. Ich schob mir die Karte unters Kinn, so dass ich meine rechte Hand frei hatte, um mich hochziehen zu können. Schaffte es auch vorerst, doch dann rutschte ich ab. Ein Schrei entfuhr mir. Sollte es das gewesen sein? Doch so weit kam es nicht. Eine Hand griff nach mir und zog mich nach oben. Es war der Elfenjunge.

Ich musste erst einmal wieder zu Atem kommen. Zum Glück ließ mir der Junge diese Zeit, bevor er anfing, mich auszufragen. „Was treibt Ihr hier? Es ist gefährlich, wie Ihr schon bemerkt haben dürftet, meine Dame“, sagte er.

Mein Gott, muss das denn sein? Reden die hier wirklich alle so geschwollen daher? Außer natürlich die Riesen, wofür ich auch sehr dankbar war.

Ich bin hier um dich zu retten, das konnte ich ihm darauf jetzt schlecht antworten, der würde mich doch eher auslachen, nach der Aktion von eben. Aber warnen musste ich ihn auf jeden Fall. „Ich wollte dir nur sagen, dass du hier schnell verschwinden solltest. Ich habe einige Männer gesehen, die dich hier rein verfolgt haben“, sagte ich. Verdutzt blickte er mich an. „Ziemlich vulgäre Art, sich auszudrücken, meine Dame“, war das erste, was er sagte. Frechheit!
Doch er sprach noch weiter: „Aber es kann nicht Euer Ernst sein, dass Ihr nur hier seid, um mich zu warnen. Wisst Ihr nicht, wer ich bin?“ Verwundert blickte er mich an. „Du bist ein Dieb, oder?“, gab ich zurück. „Wenn Ihr das so genau wisst. Warum wollt Ihr mir dann helfen?“, fragte er nun noch verwunderter. Ich empfand das als eine sehr dämliche Frage, antwortete allerdings trotzdem. „Ich bin gegen die Todesstrafe.“ Nun blickte er mich verunsichert an. Dann grinste er leicht und schüttelte den Kopf. „Wenn Ihr meint.“ Ein leichtes Lachen hörte ich heraus. „Ihr habt ein gutes Herz, leider denken da nicht alle so. Und damit meine ich auch mich selber“, sagte er. Das verstand ich nicht, aber ich hatte mich allmählich daran gewöhnt, immer weniger in meiner Welt zu verstehen und entgegnete dem nichts. „Ist das eine Karte dieses Ortes?“, fragte er und hob dabei meine Karte in die Höhe. Er musste sie mir weggenommen haben, als er mich hochgezogen hatte. Erschrocken blickte ich ihn an, was ihm zu gefallen schien. Er lachte jetzt ausgelassen.
„Ich bin und bleibe der beste Meisterdieb der gesamten Welt“, sagte er selbstgefällig. Arroganter Schnösel! Warum wollte ich den gleich nochmal retten? „Warum …“, begann er nun noch heftiger lachend, „seid Ihr mit so einer guten Karte überhaupt erst in so eine Falle getappt?“, beendete er seinen Satz unter heftigem Lachen. „Nicht jeder hat das Talent eines miesen Schurken, Fallen ohne weiteres sofort zu erkennen!“, warf ich ihm nun zornig an den Kopf.
Das gesamte Auftreten dieses Kerls machte mich schier rasend vor Wut. „Nun, das ist doch kein Grund, ausfallend zu werden, meine Dame. Und es ist nicht so, dass ich jede Art von Falle erkennen würde“, er deutete auf sein Bein. Jetzt erst bemerkte ich sie. An seinem rechten Bein war die Wade notdürftig mit einem Leinentuch abgebunden und es hatte sich angefangen, sich blutrot zu färben. Meine Hand fuhr vor Entsetzen zum Mund. „Das muss behandelt werden!“, sagte ich.
Verdammt, wie hatte er es nur geschafft, dass ich jetzt schon wieder Mitleid mit ihm hatte? „Keine Sorge. Mit dieser Karte sollte es mir gelingen, es hier schnell und sicher hinauszuschaffen und einen Heiler aufzusuchen“, sagte er und drehte sich um, um zu gehen. Mit meiner Karte in der Hand. „Hey! Ist das der Dank für meine Hilfe, du lässt mich zurück?!“, fragte ich nun wieder zornig. Mit diesem mich zur Weißglut bringendem Grinsen blickte er sich zu mir um. „Beeilt euch eben, meine Dame. Ich werde nicht den ganzen Tag auf euch warten. Da war sie wieder, die Verachtung.
Ich hastete hinter ihm her, riss ihm die Karte aus den Händen und blickte trotzig in eine andere Richtung, um nur nicht seinen Blick treffen zu müssen. Da lachte er wieder, aber ich ignorierte ihn, was schwierig war mit diesem Zorn, den ich innerlich spürte. Mit seiner Hilfe schafften wir es doch tatsächlich bis zum Südeingang zu gelangen, ohne eine einzige Falle auszulösen. Den Osteingang zu benutzen wäre nicht möglich gewesen, denn durch meine Aktion war dort ja jetzt ein unüberwindlicher, mit Speeren gespickter Abgrund.

„Siehst du? Da vorn ist schon der Ausgang!“ Mit diesen Worten rollte ich die Karte zusammen und deutete auf einen Punkt rot-orangen Lichtes am Ende des Ganges, an dem wir uns befanden. Draußen schien bereits die Sonne unterzugehen. Da war er schon im Dickicht verschwunden, ohne auch nur irgendein Wort der Dankbarkeit, oder überhaupt ein Wort, zu äußern. Unfreundlicher Typ!
„Ob die anderen beiden wohl sicher herausfinden werden?“, sinnierte ich laut, während ich einen Blick über meine Schulter und zurück zum Eingang warf. Sterben lassen konnte ich sie schließlich auch nicht so ohne weiteres, das war nicht meine Art. Also drehte ich mich um und wollte zurück in die Ruinen, dort stand zu meinem Unglück Derion, und ich war mir sicher, dass er die Sache mit dem Jungen mitbekommen hatte. Das würde zumindest erklären, warum er mit gezogenem Schwert auf mich zu hastete. Ich wollte gerade beginnen wegzurennen, so schnell mich meine Beine tragen konnten, so groß mein Mut heute auch gewesen sein mag, Derion war ein ausgebildeter Ritter und ich nur die Neuntklässlerin einer Realschule, was nicht gerade ein Vorteil war in Anbetracht meiner Situation. Doch zu meinem Glück, und es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich das als Glück empfand, wurde ich unsanft aus meinem Traum und somit auch aus Derions Reichweite gerissen, als mich eine Hand an der Schulter packte. Vor Schreck ließ ich die Karte prompt fallen.

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich klitschnass war, es musste schon vor einer Weile zu regnen begonnen haben. Mein schwarzes Haar war durchtränkt vom Regen. Ich blickte mich um, wer mich denn so grob geweckt hatte, und zu meiner Überraschung war es Eva.

„Was machst du hier?“, fragte ich sie verdattert. Sie blickte mich verdutzt an. „Das gleiche könnte ich dich fragen“, entgegnete sie mir schlicht. Dann drehte sie sich um und zeigte in eine Richtung, in der ich in der Ferne ein paar wenige Lichter von Häusern erkennen konnte, ein Dorf.
„Ich wohne dahinten“, sagte sie und blickte mich von oben bis unten an. „Du solltest erst einmal mit zu mir kommen, da kannst du duschen und ich kann dir ein paar trockene Kleider geben“, sagte sie. „Und dann erzählst du mir, was du hier treibst mitten im Regen.“

Vor mir saß Eva und hielt sich den Bauch vor Lachen. Was ich nicht komisch fand. Nun gut, ein bisschen schon, musste ich widerwillig zugeben. Immerhin hatte ich ihr gerade erzählt, wie es dazu kam, dass ich dort im Wald stand, mitten in einem Gewitter. Ich hatte wohl gut zwölf Stunden vor mich hin geträumt, schon nach den ersten zweien hatte scheinbar das Gewitter begonnen. Aber Sabrina hatte natürlich nicht das Geringste bemerkt und träumte weiter vor sich hin, während sie unter einer großen Eiche saß und ringsumher die Blitze zuckten. „Du musst echt einen verdammt guten Schutzengel haben!“, lachte sie. „Und Humor hat er auch noch. Übrigens, meine Sachen stehen dir gut“, sagte sie. Ich trug eines ihrer Kleider, eines in rot-orange, mit einer langen, spitz zulaufenden Kapuze, an deren Ende ein Glöckchen angebracht war, welches sie mir ausgeliehen hatte, weil meine eigenen Kleider regennass waren. Allerdings fand ich selber nicht, dass es mir gut stand, ich musste jedoch zugeben, dass es sehr bequem war. „Wenn du Hunger hast, kannst du gerne noch zum Essen bleiben“, sagte sie lächelnd. Das wurde mir nun zu viel und ich stand abrupt auf. „Tut mir Leid, ich muss jetzt wirklich gehen“, sagte ich und nahm hastig meine nassen Klamotten, die an der Rückenlehne eines Stuhles hingen. Hastig rannte ich zu Tür. „Ich geb’ dir die Sachen am Montag in der Schule zurück“, sagte ich, noch bevor ich den Raum verließ und hastig die Treppe hinunter lief, die Eingangstür erreichte und hinaus ins Freie trat. Mittlerweile nieselte es nur noch. Ich war froh, dass ich Evas übertrieben gespielter Freundlichkeit wiedermal entkommen war. Sie machte mich nervös, nein, vielmehr machte sie mir Angst.

Als ich am Sonntagmorgen die Augen öffnete, war für mich eine Sache klar. Ich musste zurück in den Wald. Ich wollte mich unbedingt vergewissern, ob der Junge es geschafft hatte, oder ob er irgendeinem anderem Verfolger in die Arme gelaufen war. Schließlich,war ich mir sicher gewesen, dass die beiden jemanden namens Madera erwähnt hatten, wer auch immer sie sein mochte. Ich nahm also den gleichen Weg wie am Tag zuvor.

Im Wald suchte ich erst einmal die Stelle, an der ich zuletzt in meinen Träumen hing, und das war eine große Eiche in der Nähe einer Wiese. Das waren alle Merkmale, die ich im Dunkel des Gewitters wahrnehmen konnte. Doch sie genügten mir, auch wenn es beinahe den gesamten Tag gedauert hatte, sie wiederzufinden. Das Blau des Himmels war bereits von einem angenehmen wohligen Rot durchzogen. Ich erschrak, als ich die Eiche sah. Der Stamm war gespalten und kohlrabenschwarz, der Blitz musste sie getroffen haben, hätte ich dort noch länger gesessen, gäbe es mich jetzt wohl nicht mehr. Ich schätzte, ich sollte Eva dafür dankbar sein, dass sie mich da weggeholt hatte, auch, wenn es mir schwer fiel, so etwas wie Dankbarkeit für einen Menschen auszudrücken oder gar zu empfinden. Einige Splitter des Eichenholzes waren rings um die Eiche verstreut, ich blickte mich nach ihnen um. Es gab welche, die richtig weit weg geschleudert wurden, sogar bis auf die Wiese hinter der Eiche. Die am weitesten entfernten sogar bis … wie seltsam. Sie waren bis zu zwei seltsam gewachsen Buchen geschleudert worden, und die waren in jeder Hinsicht seltsam. Zum einen hatten sie mitten im Frühling ein herbstliches Erscheinungsbild, und außerdem sah die Formation dieser Bäume aus, als wäre sie ein Tor zu einer anderen Welt, und ich stellte mir vor, es wäre die meine. Ich lief auf sie zu mit langsamen, aber bestimmten Schritten. Dann schloss ich die Augen und ging hindurch.

Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich vor mir zwar immer noch einen Wald, aber er war mittlerweile zu einem Mischwald geworden. Die langweiligen Wälder in der realen Welt mochte ich nie. Sie kamen mir immer so künstlich vor. Immer die gleichen Baumarten, die sich ewig und ewig wiederholten. Hier hingegen wuchs alles wild durcheinander. Nicht nur die Bäume, sondern auch die kleinsten Sträucher, alles wuchs, wie es wollte. So sollten Wälder sein. In dieser, meiner, Welt gab es viele solche Orte, und ich liebte sie.

Nun drehte ich mich um, ich wollte es mir unbedingt ansehen, das Tor, durch das ich hierherkam. Mir stockte der Atem. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre da jetzt etwas ganz Unglaubliches gewesen, etwas, das mehr nach einem Übergang zwischen den Welten aussah, als lediglich zwei Bäume. Doch dort, wo etwas hätte sein müssen, war nichts, nicht mal die Bäume waren mehr zu sehen.

„Ach egal!“, sagte ich mir. Das war doch alles nur ein Traum, also konnte ich jederzeit aufwachen, wenn ich es wollte. Also schloss ich erneut meine Augen und löste meine Konzentration auf den Traum, wie ich es so oft tat, danach blickte ich mich um. Jetzt bekam ich Panik. Denn, eines war mir klar: Grasende Einhörner gab es in Wirklichkeit nicht! Ich konnte, aus irgendeinem mir völlig unerfindlichen Grund, nicht mehr aufwachen. „Was mach ich den jetzt?“, fragte ich mich laut. „Ihr da!“, hörte ich eine mir leider viel zu vertraute raue Männerstimme hinter mir rufen. Erschrocken fuhr ich herum. Wie ich es mir gedacht hatte war es Derion. Nun, da ich hier festsaß, bereute ich es sofort, dass ich diesem Verbrecher geholfen hatte. Allerdings konnte ich es auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, tatenlos zuzusehen, wie sie ihn töteten. Ich war schon immer gegen die Todesstrafe. Während ich mich mit diesen Gedanken beschäftigt hatte, was ich besser nicht getan hätte, war Derion so nahe gekommen, dass er nur wenige Schritte von mir entfernt stand. Das hatte natürlich leider auch zur Folge, dass er mich sofort erkannte. „Ihr seid doch das Weib, welches dem Schurken zur Flucht verhalf“, sagte er. Mir war nicht klar, warum ich nicht mehr aus diesem Traum erwachen konnte, aber mir war klar, dass er jetzt zu einem Albtraum geworden war, und dass ich auf keinen Fall sterben wollte. Nicht hier und nicht jetzt. Derion hatte seine rechte Hand bereits unheilvoll über dem Griff seines Schwertes erhoben. „Ich … ähm … nein! Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen. Das muss eine Verwechslung sein!“, log ich. „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich euch das glaube?“, fragte er. Darauf hatte ich mir wirklich keine großen Hoffnungen gemacht, ich war schon immer eine schlechte Lügnerin gewesen.
Plötzlich fingen meine Hände an zu zittern, darauf folgten ihnen meine Beine und schlussendlich mein ganzer Körper. Die Welt, die aus meinen Träumen heraus entstand, die, die mir Schutz bieten sollte, machte mir plötzlich Angst. Wahnsinnige, schreckliche, höllische Angst. „Da ihr diesem Schurken zur Flucht verholfen habt, hat euch ebenso wie ihn die Todesstrafe zu erwarten!“, sagte er und legte seine Hand nun auf den Schwertgriff. „Warum?“, fragte ich ihn. „Ich meine, was hat er denn überhaupt getan?“ Derion blickte mich ungläubig an. Nun schien er die Fassung zu verlieren. „Was?“, fragte er ungläubig. „Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft weismachen, Ihr wüsstet von nichts?!“, fragte er zornig mit einem eindringlichen Blick auf mich. „Er hat das Auge des Mondes gestohlen!“, sagte mit einer ehrfürchtigen Betonung auf ‚Auge des Monde“. „Was ist das denn? ‚Das Auge des Mondes‘?“, fragte ich ihn ahnungslos. Das war auch mal wieder etwas, das ich nicht hätte tun sollen. Er wurde so zornig, dass sein Gesicht sich nun mehr magentafarben färbte, seine Augen auf eine groteske Art und Weise hervortraten, und ich bei seinem Anblick noch mehr zu zittern anfing. Ich war nicht mal mehr im Stande, mich zu rühren, so sehr zitterte ich. „Das ist Blasphemie!“, wetterte er. „Jeder kennt das Auge des Mondes! Es sei denn, er ist ein Ketzer! Und eine Ketzerin hat die Todesstrafe ebenso verdient wie ein Schurke“, sein Wettern war mittlerweile zu einem Brüllen geworden. Ich wusste nicht genau, was ich davon halten sollte, kam aber zu dem Schluss, dass er meines Erachtens nach einfach nur völlig durchgeknallt war. Was keine gute Nachricht war, denn er war ein Durchgeknallter, der ein Schwert mit sich herumtrug. Seine Finger legten sich nun um den Schwertgriff und er zog es endgültig, sein Schwert.

Er erhob es und ich konnte schon die Klinge des Schwertes nieder surren hören. Ich kniff die Augen zu, bereit für das, was kommen mag, gelähmt vor Angst und unfähig, mich zu rühren. Doch es kam nichts. Ich blickte auf, er schien in seiner Bewegung erstarrt zu sein. Da sah ich sie, eine blutige Klinge. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, dort, an der Stelle, an der ihm die Rüstung beschädigt war, vermutlich durch eine der Fallen in den Ruinen, die Stelle, die sein Herz hätte schützen müssen, bohrte sich eine Klinge durch, blutgetränkt. Als sie herausgezogen wurde, floss Derions Blut nur so in Strömen aus der Wunde heraus. Er fiel sofort vornüber und war tot. Das war wirklich widerlich, aber andererseits hatte es mich auch gerettet. Nun konnte ich auch die Person erkennen, die hinter Derion gestanden hatte und gerade mit einem Stück Stoff das Blut von ihrer Klinge wischte. Es war eine kleine Gestalt, die ich sofort wiedererkannte.