Star Trek: Picard ist die erste Serie des Star Trek-Universums seit über 25 Jahren, die nicht den Namen eines Raumschiffs oder einer Raumstation im Titel trägt. Dass dies keiner Weinlaune entsprungen ist, zeigt die 1. Folge, Gedenken bzw. Remembrance, eindrücklich: Statt einer ganzen Brückencrew steht der ehemalige Captain der Enterprise im Mittelpunkt, die Handlung spielt sich fast nur auf der Erde ab.

Seine späteren Lebensjahre verbringt Picard (Patrick Stewart) auf seinem Weingut in Frankreich, die Sternenflotte hat er verlassen. Statt Logbucheinträge schreibt er Geschichtsbücher. Gesellschaft leisten ihm sein Hund namens Number One sowie zwei Romulaner.

Picards Bruch mit der Sternenflotte

Man könnte fast meinen, es habe ihn in ein Paralleluniversum verschlagen. Während Picards Überzeugungen standfest wie eh und je sind, ist die Sternenflotte weit von ihrer Höchstform entfernt. Zwar schien es gerade in den Filmen so, als hätten bei Starfleet häufig Inkompetente, wenn nicht sogar Kriminelle das Ruder in der Hand. Wie wir in einem Interview mit Picard erfahren, hat sich nun aber die gesamte Organisation schon lange von ihren Werten entfernt:

Picard leitete vor 20 Jahren eine Rettungsaktion für die Romulaner, deren Planet der Vernichtung durch eine Supernova entgegenblickte (wie im Star Trek-Reboot von 2009 gesehen). Bei einem verheerenden Angriff auf die Utopia Planitia-Werft auf dem Mars durch Synthetics (eine neue Bezeichnung für Androiden) zerstörten diese aber die Rettungsflotte. Danach stellte die Sternenflotte weitere Rettungsbemühungen ein.

Picard und seine Mitbewohner (© CBS/Amazon)

Auch Synthetics wurden verboten, was unter anderem dazu führte, dass Data-Vorgänger B4 aus dem Kinofilm Nemesis auseinandergeschraubt und in einer Schublade in einem Forschungsinstitut eingelagert wurde.

Dies beides führte zu Picards Bruch mit der Sternenflotte, er zog sich ins Privatleben zurück, wird aber immer noch von Alpträumen darüber geplagt. Ein solcher eröffnet auch die Serie und beherbergt mit Brent Spiner als Data gleich den ersten Gaststar aus Next Generation-Zeiten.

Etwas Nostalgie und viel Zurückhaltung

Ansonsten hält sich Star Trek: Picard zunächst aber relativ zurück mit offensichtlichen Nostalgiemomenten, einen Besuch Picards in einer Art Lagerraum im Sternenflotten-Archiv ausgenommen, der vollgestopft ist mit Andenken.

Zurückhaltung ist auch das Motto der ersten Folge insgesamt. Wer nach den Trailern erwartet hatte, von Weltraumschlachten und irdischen Feuergefechten bombardiert zu werden, wird glücklicherweise enttäuscht. In der mit 45 Minuten angenehm kompakten Folge dominiert das Tempo einer englischen Teestunde. Regisseurin Hanelle M. Culpepper setzt dementsprechend auf ruhige Bilder ohne Kamera-Akrobatik und mit sparsamen Schnitten, zudem wird viel geredet. Auch ohne Uniform erweist sich Picard dabei nach wie vor als Mann des Verstandes und des Mitgefühls, was Patrick Stewart auch nach fast 20 Jahren Pause mühleos vermittelt.

Neue Gesichter und neue Energie

So tritt er auch der jungen Dahj (Isa Briones) entgegen, die eines Tages auf seinem Weingut auftaucht und ihn so aus seiner Lethargie reißt. Sie hatte nämlich eine Vision von ihm, nachdem sie einige Angreifer ausgeschaltet hat, die sie in ihrem Appartement kidnappen wollten. Wie sie zu ihren Kampffähigkeiten kommt, kann sie sich aber selbst nicht erklären.

Dahj (© CBS/Amazon)

Ihr Erscheinen und anschließendes Wiederverschwinden bei Picard lässt diesen in den Erkundungsmodus schalten. Er findet schließlich heraus, dass es sich bei Dahj um einen Androiden mit einem Körper aus Fleisch und Blut handeln muss, womöglich erschaffen von Bruce Maddox, einem Wissenschaftler und (Brief-)Freund von Data aus Star Trek: The Next Generation.

Auch Dahj ist irgendwie mit Data verbunden und hat womöglich sogar seine Erinnerungen, die nur bruchstückhaft auf B4 übertragen wurden. Vor einen erneuten Anschlag kann Picard sie aber nicht retten, sie wird zumindest dem Anschein nach ausgelöscht.

Dieser überraschend frühe Tod ist aber auch die einzige große Gemeinsamkeit mit der Erzählweise von Star Trek: Discovery, das 2017 die neue Star Trek-TV-Ära einläutete. Zwar nimmt das Tempo im Laufe von Picards Ermittlungen etwas zu, trotzdem hastet die Folge nicht einen Plotpunkt nach dem anderen ab.

Picard und Dr. Jurati (© CBS/Amazon)

Mit Dr. Agnes Jurati (Alison Pill) trifft Picard sogar nur ein Mitglied seiner künftigen Crew, der Aufbruch ins eigentlich Abenteuer scheint noch weit entfernt. Stattdessen herrscht eine melancholische Stimmung ähnlich wie in Darren Aronofskys The Fountain vor, die durch die daran erinnernde Musik unterstützt wird. Auch Picards fortgeschrittenes Alter wird nicht unter dem Teppich gekehrt, bei einer Verfolgung geht ihm fast die Luft aus.

Die Romulaner und die Borg

Dass die Jagd auf Dahj, die anscheinend von Romulanern veranstaltet wird, Teil von etwas weitaus Größerem ist, deutet schließlich die Schlussszene an. Hier treffen wir ihre Zwillingsschwester/-androidin, die in einer romulanischen Forschungseinrichtung arbeitet. In einer ausgedehnten Kamerafahrt bis in den Weltraum, die nicht von ungefähr an die Eröffnungsszene von First Contact erinnert, entpuppt sich die Einrichtung dann als ein gigantisches Borg-Schiff.

Star Trek: Picard schreibt also nicht nur die Lebensgeschichte ihrer Hauptfigur weiter, sondern auch die des Star Trek-Universums an sich, nachdem Enterprise komplett und Discovery bisher in der Vergangenheit verweilten.

Der Auftakt von Star Trek: Picard unterscheidet sich deutlich von allen bisherigen Pilotfolgen des Franchise. Ob diese Einzigartigkeit auch in den nächsten Wochen aufrechterhalten wird, oder spätestens mit dem Schritt auf ein Schiff und in den Weltraum bekanntere Muster Einzug halten?

Picard-Fragen:

  • Wieso haben die Synthetics den Mars angegriffen?
  • Weshalb hat sich die Föderation gegen ihre Prinzipien entschieden, und warum hat sich dann 20 Jahre lang nichts gebessert?
  • Ist Dahj wirklich tot oder ersteht sie wie so viele Figuren in Star Trek: Discovery wieder auf?
  • Was stellen die Romulaner im Borg-Würfel an? Und was wollten sie von Dahj?
  • Wird Data irgendwann wiederhergestellt?

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