Geben ist seliger denn nehmen? Nicht so beim Farbfilm!


Generell gibt es, abgesehen vom nachträglichen Einfärben per Hand, zwei unterschiedliche Verfahrensweisen, Farbfilme herzustellen: additive und subtraktive. Bei additiven Verfahren werden Farbfilter bei Aufnahme und Projektion benutzt, bei subtraktiven wird der Film selbst eingefärbt, statt Filter bei der Projektion zu verwenden. Das additive wurde dabei zuerst verwendet, das subtraktive setzte sich jedoch durch und wird auch heute noch gebraucht. Dazu kommt die Unterscheidung zwischen 2-Farben- und 3-Farben-Systemen, von denen sich wiederum das letztere durchsetzte.

Die Grundlagen

Licht
Um den Unterschied zwischen additiven und subtraktiven Verfahren zu verstehen, ist es hilfreich, zu sehen, was es denn eigentlich mit Licht auf sich hat. Licht ist der Teil des elektromagnetischen Spektrums, der für das menschliche Auge sichtbar ist. Weißes Licht setzt sich dabei aus den verschiedenen sichtbaren Wellenlängen zusammen. Dies sieht man, wenn weißes Licht durch ein Prisma gelenkt wird, da die Wellenlängen geteilt aus dem Prisma austreten: Violett, Blau, Grün, Gelb, Orange und Rot.
Alle für das menschliche Auge sichtbaren Farben lassen sich nun auf zwei Wegen darstellen:
Beim additiven Verfahren werden aus den Primärfarben Rot, Grün und Blau alle anderen zusammengemischt, wobei jede etwa ein Drittel aller sichtbaren Wellenlängen ausmacht, und alle drei zusammen Weiß ergeben. Beim subtraktiven werden mit Hilfe von Cyan, Magenta und Gelb verschiedene Farben aus dem weißen Licht entfernt; zusammen ergeben die drei Schwarz. Während beim additiven Verfahren ein Filter in jeder der drei Farben nur seine eigene Farbe durchlässt und die beiden anderen absorbiert, absorbieren die drei Farben des subtraktiven Verfahrens jeweils ihre Komplemantärfarbe und lassen die beiden anderen durch: Cyan absorbiert Rot und lässt Blau und Grün durch, Magenta absorbiert Grün und lässt Rot und Blau durch, und Gelb absorbiert Blau und lässt Rot und Grün durch.

Das Ganze sieht dann so aus:

Additive Farbmischung



Subtraktive Farbmischung


Schwarz-Weiß-Film
Beim Schwarz-Weiß-Film sind in einer Emulsion Silberhalogenid-Kristalle in Gelatine suspendiert. Werden sie belichtet, findet eine chemische Reaktion statt, durch die sich die Kristalle dunkel färben, wenn der Film entwickelt wird. Kristalle, die nicht belichtet wurden, werden beim Entwickeln weggespült, wodurch sich durchsichtige Bereiche ergeben. Die dunklen Bereiche des Motivs werden beim Negativ also hell, die hellen dunkel. Beim Herstellen des Positivs werden dann die dunklen Stellen wieder hell, und die hellen dunkel.
Die Emulsion war zunächst orthochromatisch, später panchromatisch. Eine orthochromatische ist dabei nicht für Rot empfindlich, eine panchromatische für alle Farben. Das Bild ist trotzdem immer schwarz-weiß.

Additive 2-Farben-Verfahren

Kinemacolor
Das erste praktikable und kommerziell erfolgreiche additive System nannte sich Kinemacolor und wurde 1906 in England von George Albert Smith patentiert. Der erste damit produzierte abendfüllende Film war die Dokumentation „The Durbar at Delhi“ 1912. Der erste Spielfilm: „The World, the Flesh and the Devil“, 1914. Das Verfahren war ein Zwei-Farben-Prozess, der einen roten und einen grünen Filter verwendete, aber wie alle additiven (und die ersten subtraktiven) Verfahren mit Schwarz-Weiß-Film arbeitete. Die bei der Aufnahme abwechselnd verwendeten Filter (bei 32 Bildern pro Sekunde wurde jeder 16 mal verwendet) führten zu sich abwechselnden Bildern auf dem Film, die einmal den roten und einmal den grünen Anteil des gefilmten Bildes zeigten (aber eben in Schwarz-Weiß). Die Bilder wurden dabei nacheinander aufgenommen, also erst das rote, dann das grüne etc. Beim Projizieren wurden sie durch ein rotierendes Farbrad (mit Segmenten in Rot und Grün) zu einem einzigen farbigen Bild zusammengefügt, aber ebenfalls nacheinander projiziert.
Da die meisten damaligen Filmschauspieler weiß waren, ließ sich ihre Hautfarbe am besten aus Rot und Grün zusammensetzen; somit wurden bei Zweifarbensystemen meist rote und grüne Filter verwendet, und kein blauer. Drei statt zwei Filter zusammen wurden nicht gebraucht, da es schon bei zwei sich abwechselnden Farben Probleme bei Aufnahme und Projektion gab, vor allem hinsichtlich der Deckungsgleichheit der beiden Bilder, da diese ja nacheinander aufgenommen waren, also nicht genau dasselbe Bild zeigten. Dies fiel besonders bei schnellen Bewegungen ins Gewicht.

Technicolor Process I
1915 entwickelten die Amerikaner Herbert T. Kalmus und Daniel F. Comstock ein eigenes additives Zwei-Farben-Verfahren namens Technicolor, das mit einem roten und einem blau-grünen Filter arbeitete, wobei der blau-grüne statt eines grünen für natürlichere Farben sorgte.
Im Unterschied zum Kinemacolor-Verfahren wurden hier die beiden Bilder gleichzeitig aufgenommen und projiziert. Ein Prisma in der Kamera teilte das Licht, so dass zwei Bilder gleichzeitig belichtet wurden, und ein Projektor mit zwei Linsen projizierte die beiden Bilder gleichzeitig. Doch obwohl es sich um zwei identische, nur unterschiedlich gefärbte, Bilder handelte, war die Deckungsgleichheit auch hier nur schwer zu erreichen. Der erste Film: „The Gulf Between“ von 1917.
Andere Verfahren verwendeten auch einen rot-orangen statt des roten Filters. Alle diese Verfahren hatten aber mit etlichen Schwierigkeiten zu kämpfen – vor allem der nicht überzeugenden Bildqualität – und setzten sich nicht durch, auch wenn bis in die vierziger Jahre mit additiven Verfahren experimentiert wurde.

Subtraktive 2-Farben-Verfahren

Techniclor Process II
In den frühen zwanziger Jahren entwickelte Technicolor ein subtraktives Zwei-Farben-Verfahren, bei dem ein Negativ ebenfalls abwechselnd den roten und den blau-grünen Anteil mittels Filtern aufnahm (wieder in Schwarz-Weiß), davon dann aber zwei separate Positive entwickelt wurden (eines mit dem roten Anteil, das andere mit dem blau-grünen, beide halb so dünn wie normaler Film) und diese Positive Cyan und Magenta gefärbt und zusammengeklebt wurden, wobei das Positiv mit dem Rot-Anteil Cyan, das mit dem Blau-Grün-Anteil Magenta gefärbt wurde, also jeweils mit der Komplementärfarbe (genauere Erklärung des Verfahrens s.u. bei Process IV). Drei statt zwei Schichten wurden nicht zusammengeklebt, da schon bei zwei Schichten oft Probleme auftraten, weil diese oft nicht gut zusammenklebten. Der erste mit dem subtraktiven Zwei-Farben-System hergestellte Film war 1922 „The Toll of the Sea“.

Technicolor Process III
Das System wurde später dahingehend verbessert, dass die beiden Cyan bzw. Magenta gefärbten Positive nicht mehr zusammengeklebt, sondern auf einen einzigen Film kopiert wurden (ebenfalls: genauere Erklärung des Verfahrens s.u. bei Process IV). Der erste Film hiermit: „The Viking“ 1928.

Zwar wurden Ende der Zwanziger weit mehr Filme im subtraktiven als im additiven Verfahren hergestellt, Anfang der Dreißiger wurden aber generell kaum noch Farbfilme produziert, da das 2-Farben-System auch in der subtraktiven Variante nicht vollends überzeugen konnte. Vor allem das Fehlen der dritten Grundfarbe führte zu einem nicht überzeugenden Bild, da ohne sie nicht alle wahrnehmbaren Farben dargestellt werden konnten.

Subtraktive 3-Farben-Verfahren

Technicolor Process IV
1932 stellte Technicolor schließlich ein subtraktives 3-Farben-System vor: Es arbeitete mit 3 Negativen in der Kamera, von denen durch Benutzung von Filtern und Prismen eines den roten, eines den grünen, und eines den blauen Anteil des Lichts aufnahm (abermals in Schwarz-Weiß). Aus den drei Negativen wurden drei Positive hergestellt, aus denen wiederum der fertige Film gefertigt wurde. Die Positive waren sogenannte Matrizen, die eine Gelatineschicht hatten. Diese Schicht war dort am dicksten, wo das Negativ am hellsten war, und am dünnsten, wo es am dunkelsten war. Sie wurden dann mit der Komplementärfarbe des Negativs eingefärbt (sogenannte dye imbibition), wobei umso mehr Farbe aufgenommen wurde, je dicker die Gelatineschicht war; je mehr Komplementärfarbe dadurch vorhanden war, desto weniger wurde von der Originalfarbe des Negativs durchgelassen. Die drei gefärbten Matrizen wurden dann nacheinander auf einen einzigen Film übertragen (dye transfer), der eine uniforme Gelatine-Schicht hatte, wodurch sich ein Bild aus Cyan, Magenta und Gelb ergab.
Der erste so produzierte Film war der Disney-Cartoon „Flowers and Trees“ 1932, der erste Live-Action-Kurzfilm „La Cucaracha“ 1933, der erste Spielfilm „Becky Sharp“ 1935, der somit der erste Farbfilm im heutigen Sinne war. 1955 wurde mit „Foxfire“ der letzte Film mit einer 3-Streifen-Technicolor-Kamera gedreht.

Das Verfahren in Bildern:




Monopack
Schon 1941 wurde von Technicolor ein Film verwendet, der aus drei verschiedenen Schichten bestand, die jeweils für eine Farbe (Blau, Grün oder Rot) empfänglich waren: Monopack. Dieser wurde aber nur sehr sporadisch benutzt, da er große Lichtmengen zur Belichtung benötigte. Auch handelte es sich nicht um Negativ-, sondern um Umkehrfilm: Er konnte zwar in normalen Kameras belichtet werden, normale Entwicklung (wie beim Schwarz-Weiß-Film) erbrachte jedoch kein Negativ, sondern ein Positiv. Um die für die Vervielfältigung notwendigen Negative zu erhalten, musste der Dye-transfer-Prozess verwendet werden.

Eastmancolor
Von den verschiedenen seit Anfang der 40er entwickelten Farbnegativfilmen setzte sich Kodaks Eastmancolor durch, der 1952 eingeführt wurde. Das Ganze funktioniert so:
Auf dem Film befinden sich drei Schichten, von denen jede für eine andere Grundfarbe sensibilisiert ist: eine für Blau, eine für Grün, eine für Rot. In jeder dieser Schichten befinden sich nun neben den Silberhalogenid-Kristallen (die beim Schwarz-Weiß-Film für die Hell- und Dunkelfärbung sorgen) Farbstoffe (dye-coupler), und zwar jeweils in der Komplementärfarbe: in der blau-sensibilisierten Schicht Gelb, in der grün-sensibilisierten Cyan, und in der rot-sensibilisierten Magenta. Je mehr Licht von der Farbe, für die eine Schicht sensibilisiert ist, auf eine Stelle in ihr trifft, desto mehr ist beim Entwickeln von der Komplementärfarbe vorhanden. Die Silberhalogenid-Kristalle werden danach weggewaschen, so dass nur die Farbstoffe verbleiben. Es entsteht also wieder ein Negativ, nur nicht mit umgekehrten Schwarz-Weiß-Werten, sondern mit umgekehrten Farbwerten. Da diese bei der Erstellung des Positivs, z. B. der Kinokopie, abermals umgekehrt werden, erhält man dann wieder die korrekten Farbwerte.
Zwischen den beiden obersten Farbschichten befindet sich eine gelbe Filterschicht, die verhindert, dass blaues Licht auf die beiden unteren gelangt (da die Sensibilisierung für nur eine Farbe nie ganz perfekt ist). Auch kann es pro Farbe mehrere Schichten geben, die mehr oder weniger lichtempfindlich sind.
Da es sich bei dem Ganzen um einen photochemischen Prozess handelt, ist eine lange Haltbarkeit der Kinokopien im Bezug auf die Farbstabilität nicht automatisch gewährleistet. So verfärbten sich die Eastmancolor-Kopien der ersten Jahrzehnte recht schnell, was zu einem Protest von Filmschaffenden – angeführt von Martin Scorsese – führte, die um die Erhaltung ihrer Werke besorgt waren. Als Reaktion darauf wurde der Film Anfang der 80er-Jahre verbessert, so dass heutige Filme nicht mehr von schnellen Verfärbungen bedroht sind.

Die Entwicklung der Eastmancolor-Negative übernahmen seit Anfang der 50er-Jahre etliche Studios selbst, ihre Verfahren nannten sich z. B. DeLuxe Color (20th Century Fox), Warnercolor, Columbiacolor oder Metrocolor. Technicolor entwickelt Farbnegativfilme erst seit 1975 photochemisch, zuvor stellten sie Kopien von ihnen noch im Dye-transfer-Verfahren her. Die drei Matrizen wurden dabei aus einem statt aus drei Negativen hergestellt, die so hergestellten Kopien waren genauso farbstabil wie Kopien von drei Negativen.

Anfang der 50er war Farbfilm in Hollywood zur Regel geworden (nicht zuletzt wegen der Konkurrenz des Fernsehens), seit 1968 gibt es nur noch sehr wenige Ausnahmen von ihr. Alle heutigen Farbfilme werden mit Farbnegativfilmen hergestellt und photochemisch entwickelt.